Hifthorn aus Elfenbein (Olifant)

Klingende Jagd

Hifthorn aus Elfenbein (Olifant), Ident. Nr. 586

  • Verbale Datierung: 11./12. Jahrhundert
  • Entstehungsort stilistisch: Süditalien oder Sizilien (?)
  • Material: Elfenbein, Ringe und Kette aus Eisen
  • Länge: 51 cm
  • Durchmesser: der Blasöffnung 0,8 cm
  • Durchmesser: der Schallöffnung max. 10,1 cm
Hifthorn aus Elfenbein (Olifant), Ident. Nr. 586
©Foto: Skulpturensammlung und Museum für Byzantinische Kunst der Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz; Fotograf/in: Jürgen Liepe

Das Hifthorn wurde im 11./12. Jahrhundert in Süditalien oder auf Sizilien hergestellt. Auf der Hauptfläche werden drei Jagdszenen dargestellt: eine Löwen-, eine Hirsch- und eine Bärenjagd mit Jägern, Jagdhunden und dementsprechenden Tieren. Die Jagdszenen werden mit weiteren Motiven zu Flora und Fauna bereichert. Die schmalen abstrakten Ornamentbänder seitlich der Ringe lassen den Einfluss der ägyptischen Kunst erkennen. Das breite Ornamentband nahe der Mündung weist auf sizilische Einflüsse hin. Das Mittelstück wurde von einem dritten Schnitzer nachträglich ausgearbeitet, der mit der byzantinischen Kunst vertraut war.

Der Olifant diente vor allem als Statussymbol. Überdies versinnbildlichte es Kampfkönnen und Kühnheit seines Besitzers, eventuell auch seinen reichen Landbesitz. Der Stoßzahn des stärksten Tieres  des Elefanten wurde zum Attribut der Macht und Stärke. Diese Metapher ist durch das Dekorationsmotiv mit dem Löwen weiter verstärkt. Die Eisenkette ist ein wesentlicher Bestandteil des Olifants, denn sie ermöglicht, das Horn zu tragen oder an der Wand zu hängen, um vor Gästen mit dem Stolzobjekt zu prahlen. Es kann auch sein, dass es von der Wand beim Empfang ab un zu genommen wurde und dann ein Musikstück gespielt wurde.

So wird der Olifant zu einem multisensorischen Gegenstand: Die Benutzer können es sehen und hören, in der Hand halten, am Körper tragen, sogar daraus trinken. Darüber hinaus wurden Olifanten mit magischen Kräften – zu schützen oder zu heilen – assoziiert. Diese Kräfte konnte man angeblich durch das Berühren aktivieren. So setzt das Hifthorn das ganze Sensorium ein. Wir konzentrieren uns aber auf den Höraspekt.

Der Olifant repräsentiert einen wichtigen soziokulturellen Aspekt des damaligen Alltagslebens die Jagd. Jagdhörner waren als Signalinstrumente bei Gesellschaftsjagden im Einsatz. Auf große Entfernungen konnten so Befehle und Richtungsanweisungen gegeben oder Notfälle angekündigt werden. Dieser Klang war ein erheblicher Bestandteil vom Jagdritual. Im YouTube-Video “Olifants – Ivory Horns from the Mediterranean Sea” wird der Jagdhornklang sogar imitiert (ab 1:05 Min.).

Da Museumsexponate eher selten für ihren ursprünglichen Zweck verwendet werden, fehlen meist Aufnahmen des Klanges von überlieferten Olifanten. Allerdings lässt es sich vermuten, dass der Hornklang je nach der Objektgröße sehr unterschiedlich sein kann. Man könnte eine Vorstellung davon bekommen an den Beispielen von Hörnern, die aus anderen Tiergruppen (Rinder, Schafe) hergestellt werden. Das nächste Video zeigt wie sich die Größe eines Horns auf den Klang dieses mittelalterlichen Musikinstruments auswirkte.

Und hatte das Material des Olifants den Klang beeinflusst? Sorgte Elfenbein eigentlich für einen besonders guten Klang? Da Elfenbein auch später für andere Musikinstrumente häufig benutzt wurde, scheint diese Theorie sehr plausibel zu sein. Ein Beispiel davon ist die kostbare Elfenbein- und Silberflöte des 18. Jahrhunderts.

Tatsächlich bestehen Musiker und Experte darauf, dass Elfenbein im Vergleich zu Kunststoff, Holz oder Keramik eine bessere Klangqualität erzeugt und bei langen Auftritten auch schonender für den Körper ist. Bis heutzutage wird für traditionelle japanische Musikinstrumente shamisen und koto Elfenbein verwendet. So bleibt Japan der weltweit größte legale Markt für Elfenbein, während fast überall auf der Welt das Verbot des Elfenbeinhandels gilt. Ohne Elfenbein würde die traditionelle japanische Musik leiden. Mehr dazu erfährst du aus dem BBC-Artikel.

Weitere Beispiele von vergleichbaren Olifanten (11./12. Jh., Süditalien) sind die Exponate aus dem Walters Art Museum (Baltimore, USA) und aus dem Musée de Cluny (Paris, Frankreich).

Einen genaueren dreidimensionalen Blick auf die in das Elfenbein geschnitzten erlesenen dekorativen Motive ermöglicht ein Video über noch einen vergleichbaren Olifant (11./12. Jh., Sizilien oder Süditalien) aus der Sammlung von National Museum of Scotland (Edinburgh, UK).

Olifant (11./12. Jh., Sizilien oder Süditalien), National Museum of Scotland (Edinburgh, UK).

Neben Sehen ist also auch Hören für die Empfindung dieses Objekts von zentraler Bedeutung. Nicht nur ist der Olifant selbst durch eine langjahrige Geschichte überliefert worden, sondern auch begleitet sein Klang die Menschheit schon seit dem letzten Jahrtausend.

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