Ein kaiserlicher Silber-Pfennig als Fenster in die Welt mittelalterlicher Numismatik

In der Archäologie oder auch generell in der Altertumsforschung wurden langjährig, neben Royalen- oder Schmuckgegenständen, hauptsächlich große Objekte wie Architektur oder Statuen betrachtet. Erst seit wenigen Jahren betrachtet man kleine Objekte mit Ihren Bedeutungen und Auswirkungen für das damalige Volk, welche diese Objekte im Alltag benutzt haben. Geld, genauer gesagt Münzen, wurden zwar anhand der verwendeten Ikonographie schon länger genauer betrachtet, dennoch wurde Geld auch für weit mehr als nur zum Bezahlen genutzt von der Machtdemonstration bis hin zum rituellen Gebrauchsobjekt. Im Folgenden wird ein Objekt genauer betrachtet, eine mittelalterliche Münze aus Ravensburg.

Das Hier betrachtete Kleinobjekt, ist wie oben erwähnt, eine mittelalterliche Münze. Die Münze ist Bestandteil des Münzkabinetts, welches sich im Bode Museum in Berlin auf der Museumsinsel mit der Identifikationsnummer 18205042, im Besitz der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, befindet. Der Fundort ist unbekannt. Lediglich der Herstellungsort kann zugeordnet werden. Sie besitzt einen Durchmesser von 23 Millimeter, ist 0,45 Gramm schwer und aus Silber gefertigt. Die Münze ist einseitig geprägt.

Die visuelle Betrachtung ergibt, dass auf der hier gezeigten Münze verschiedene Symbole zu erkennen sind. Die Münze besitzt einen äußeren Ring und einen inneren Ring. In dem Äußeren bilden Samariter-Kreuze abgewechselt von Rechtecken mit eingesetztem Kreis ein Ornamentband. Im inneren Kreis ist eine architektonische Abbildung mit aufgesetztem Kopf zu sehen. Die dargestellte Architektur besteht aus zwei Türmen jeweils ein Turm links und einer rechts. Die Türme sind mit einer Mauer verbunden, welche in der Mitte von einem Tor unterbrochen bzw. geöffnet wird. 

Über dem Tor erscheint das Porträt eines Menschen mit Kopfbedeckung, voraussichtlich einer Krone. Die Krone lässt drei Hochpunkte  erkennen und auf ihre Prächtigkeit schließen. Der Mensch, welcher die Krone trägt, besitzt runde Augen eine runde Nase und macht einen wohlgenährten Eindruck, jedoch keine individualisierten stilistischen Elemente sind zu erkennen.

Aufgrund der Fertigungsweise der Prägung und der geringen dicke des Materials, ist auf der Rückseite der Münze das Negativ der Abbildung der Frontseite zu sehen.

Die Darstellung wird, laut Beschreibung im Museum, als Friedrich II König von Sizilien interpretiert, welcher ab 1220 auch Kaiser des Heiligen Römischen Reiches deutscher Nation war (Viele kennen seinen bekannterren Vater Friedrich I, auch genannt Barbarossa). Die Münze wurde in Ravensburg (Süddeutschland, Oberschwaben) voraussichtlich zwischen 1230 -1240 geprägt. Sie hatte den nominalen Wert eines damaligen Brakteaten (lat. bractea = Dünnes Blech).

Vergleicht man Sie mit anderen Münzen aus derselben Münzstätte in der gleichen Zeit so fällt auf, dass alle Brakteaten ungefähr gleich viel wiegen. Ebenso das Motiv ist meistens, wenn auch leicht abgeändert, über die Jahrhunderte, dasselbe. Die Münze ist sozusagen ein Paradebeispiel für einen mittelalterlichen Brakteat, die Darstellung der symmetrischen Architektur und Ornamentbänder, gekoppelt mit der nicht zu individualisierenden abgebildeten Person. Die Münzmeister des Mittelalters orientierten sich von den Motiven oft an antiken überlieferten Formen und Mythen, so sind des öfteren lateinische Inschriften oder römische Herrschaftssymbole zu erkennen. Aber auch das Christentum wurde nicht ausgelassen, so hatte neben jeder weltlichen Münzprägunganstalt auch fast jedes Kloster bzw. jeder Abt und Äbtissin ein Münzprägungsrecht und sie wurden nun auch Münzherren genannt.
Dieses Recht wurde vom Kaiser an freie Städte, Herzoge, Königen und Geistliche Einrichtungen vergeben. Aber auch der Kaiser selbst konnte Münzen prägen lassen, beispielsweise in Köln existierten Münzen des Klosters für das Umland, wohingegen im Inneren der Stadtmauer die Münzen der Stadt Köln benutzt worden sind. Die Münzen des Mittelalters versuchen zwar das Motiv Antiker Münzen zu imitieren, aber qualitativ unterschieden sie sich stark in Thematiken wie Materialbeschaffenheit. So waren antike Münzen für den dauerhaften Erhalt und Verkehr im gesamten Reich gedacht. Wie hier zu sehen ist, sind Brakteaten aber sehr dünn und nicht lange haltbar. So zerbrachen sie oft in einer Tasche wegen Kollidierens mit anderen Gegenständen. Was aber nicht weiter schlimm war, weil halbe Münzen äquivalent mit dem halben Wert gehandelt wurden. Die Münzprägungsstätten setzen auch relativ oft neues Geld auf, meist versammelte sich die gesammte Bürgerschaft an einem zentralen Platz, an dem das Alte mit dem neuen Geld von einem vorgegebenen Verhältnis (oft 4:3 ) getauscht wurde, aber die Bürger haben sich daran in der Regel, laut Aufzeichnungen, nicht gehalten. Wonach aber die Alte Münze, trotz des Materialwertes (Brakteaten waren schließlich aus Silber gefertigt) nur durch eine neue Prägung Ihren Handelswert verlor und nun nur noch die neue aktuelle Münzprägung von Wert war, wohingegen in der Antike die Münzen des Römischen Reiches über Dynastien hinweg, Ihre Gültig- und Wertigkeit nicht verloren haben. Die mittelalterlichen Münzen besaßen durch die Fertigung und letztendlichen beschränkten Gültigkeit vor Ort auch immer einen massiven regionalen Charakter.

Die jeweiligen Münzherren brachten ihre außerordentliche Bedeutung zum Vorschein, indem sie fortlaufend auf Ihr Recht Münzen zu prägen bestanden. Wenn dieses mal neu ergattert worden war, wurde es nicht mehr so leichtfertig aufgegeben, was durch die nahezu unendlich hohe Anzahl der auffindbaren verschiedenen sogenannten Münzherren im späten Mittelalter zu belegen ist. Wie oben bereits erwähnt, prägte der Kaiser selbst auch Münzen. Diese auch sogenannten Silber-Pfennige zeigten oft ein Abbild von Ihm, wie auch in der hier betrachteten Münze, aber darüber hinaus bildete Sich der Kaiser auch oft mit seiner Gemahlin ab. So diente die Münze für Ihn als Propagandainstrument und stellte die Machtverhältnisse in seinem Herrschaftsgebiet deutlich klar. Der Kaiser und seine Frau werden meist gleich groß dargestellt, aber dennoch hält der Kaiser selbst meist das Symbol, wie das Zepter. Es kann aber nach modernen Theorien, genauerer Betrachtung und Hinterfragung damaliger Texte angenommen werden, dass die Kaiserin, oftmals die Vertretung wenn nicht sogar die gleichberechtigte Herrschaft antrat und somit Pflichten sowie Verantwortungen zugewiesen war.

Doch auch Darstellungen von Heldentaten oder Heiligen bis hin zu fast okkulten Taten sind sehr präsent, so wurden beispielsweise die antiken Geschichten des Herkules neu interpretiert und auf Münzen geprägt. Dies weist unter anderem auf eine weit verbreitete Bekanntheit der Erzählungen und eine fast alltägliche Konfrontation der Figuren oder Taten aus den überlieferten Handlungen.

Abschließend kann angenommen werden, dass auch der hier betrachtete Silber-Pfennig eine lange Geschichte hinter sich hatte. Sicherlich ging er durch viele Hände, sicherte das tägliche Überleben oder konnte zur subjektiven Inszenierung von Luxusgütern ausgegeben werden, bis er letztendlich seinen Weg in das Berliner Bode Museum gefunden hat. Seine Form und Darstellungsweise haben lange Jahrhunderte überdauert und geben uns heutzutage einen kleinen Einblick in den Alltag von damals, die Welt einer freien Reichsstadt in Süddeutschland Mitte des 13. Jahrhunderts.

Literaturverzeichnis:

  1. J. Jasperse, Medieval Women, Material Culture, and Power: Matilda Plantagenet and Her Sisters (2020) 
  2.  A.Hylla Kosmos im Münzbild
  3. Dr. H. Meyer, Die ältesten Münzen von Zürich oder zürichs Münzgeschichte im Mittelalter (1840) in Mitteilungen der Antiquarischen Gesellschaft in Zürich; Band 1
  4. F. Berger, Die mittelalterlichen Brakteaten im Kestner-Museum Hannover (1993)
  5. http://www.smb-digital.de/eMuseumPlus?service=direct/1/ResultLightboxView/result.t1.collection_lightbox.$TspTitleImageLink.link&sp=10&sp=Scollection&sp=SfieldValue&sp=0&sp=0&sp=3&sp=Slightbox_3x4&sp=0&sp=Sdetail&sp=0&sp=F&sp=T&sp=1 

Written by Kai Manger