Ampulle in Form eines Fisches und das Auge des Künstlers

Herkunft: Ägypten

Herstellungszeit: 5. Jh.v.Chr. – 6. Jh.v.Chr.

Material: Ton

Maße: 16cm Länge, 11cm Breite

Museum für Byzantinische Kunst Berlin

Fotos: Antje Voigt für das Museum für Byzantinische Kunst Berlin

Ampulle in Form eines Fisches:

Die sensorische Erfassung des Objektes – Das Auge des Künstlers:

Zum näheren Verständnis der Fisch-Ampulle fertigte ich, auf meiner Forschungsreise zunächst eine kolorierte, und anschließend, in Szenarien, diverse schwarz-weiss-Zeichnungen des Fläschchens an.

Wie der Künstler und Hersteller der Flasche diese in mehreren Arbeitsschritten schuf, näherte ich mich in der Übertragung in die zweite Dimension, nach dreidimensionaler Vorlage, in mehreren Schritten, die zum Verständnis des Objektes auf wundersame Weise beitrugen.

Zunächst dekonstruiert man dabei das Objekt und rekonstruiert in Folge auf dem Papier.

Erster Schritt ist die Motivwahl der Ansicht. Schon in der ersten Betrachtung wird dabei klar, dass beide Seiten sehr unterschiedlich sind. Die eine Seite glänzt mit gleichförmiger Schuppung und einem fast kreisrunden Auge, die andere setzt sich im Vergleich durch ein ovales Auge, mit dem Zentrum entrückter Pupille, sowie sehr unregelmäßiger Schuppung ab. Die Unterschiede sind so gravierend, dass man meinen könnte, es wären zwei Hände in der Schaffung involviert gewesen. Eine „Meisterhand“ und eine nachahmende, doch in der Qualität nicht ans Vorbild reichende, Hand waren scheinbar involviert.

Zunächst gilt es, zur Fertigung einer Zeichnungsstudie, die Grundform des Modells zu erkennen. Dies tut man am besten aus einiger Entfernung. Auf die Fisch-Ampulle bezogen wird, bei der ersten Erfassung, und Schattierung zur Erzeugung von Plastizität, der fast perfekt ovale, flache Grundkorpus offensichtlich. In der Seitenansicht nimmt der Hohlkörper dabei etwa zwei Drittel der Gesamtoberfläche in Anspruch. Auf den symmetrischen Gesamteindruck der Fisch-Ampulle bezogen ist der Flaschenkorpus, entgegen des ersten Eindrucks, nicht mittig angebracht. Er reicht hingegen bis in den Bereich der Bauchflossen. Betrachtet man den Fisch von vorne ergibt sich so eine fast dreieckige Ansicht in der Komposition. Der Bauch mit den angeschlossenen Flossen kann so auch als Auflagefläche genutzt werden.

Dem Hohlkörper sind Standfuß, Rückenflosse, Teile der Bauchflossen und Henkel scheinbar additiv angefügt. Hier muss man individuellere Formen erfassen. Das Auge gleitet über den gewellten Kamm der Rückenflosse, die einen schmalen Grat bildet. Es ist darauf zu achten, dass der Umriss keine scharfen Ecken oder Kanten besitzt. Fast alle Grade und Winkel scheinen leicht abgerundet oder geglättet. So weit, dass das grobporige Material Ton, nahezu Glanzstellen zu besitzen scheint. In der Handhabe ein schmeichelndes, organisches „Design-Feature“.

Betrachtet man nun die Stärke des Materials, von circa 0,4-0,5cm, am Flaschenhals könnte man denken, dass das tatsächliche Fassungsvermögen von 200-300ml, der Darstellung des Fisches, in der Priorität hinten ansteht. Etwa die Hälfte des verwendeten Materials ist für die schlichte Herstellung einer Flasche völlig unnötig. Das Gesamtgewicht von circa 500g (ich vermute dies im Bezug auf zwei Päckchen Butter), befüllt ca. 700-800g, ist eventuell dem Stand auf dem lediglich etwa 4,5cm breiten, nahezu kreisrunden Standfuß zuträglich, der in der Seitenansicht durch einen konischen, leicht taillierten Zylinder beschrieben ist. Auf die Gesamtbreite von 11cm und Gesamthöhe von 16cm bezogen besitzt er aber eine verschwindend geringe Auflagefläche. Das Fläschchen muss also auf planer, gut geeichter Fläche gelagert worden sein. Lediglich das Eigengewicht sichert bei vertikaler Aufstellung den Stand. Dabei ist es wenig hilfreich, dass der Inhalt nicht zentral über dem Standfuß sitzt.

Sind die Grundformen und, dem Oval angegliederte, Umrisse erfasst, wird die weitere Schattierung fest gelegt, und man kann sich nun einzelnen Details nähern. Es wird die Arbeit deutlich, die hier im Detail steckt. Durch tiefe Ritzung sind die Schuppen und die kammartige Ausformung der Flossen-Partien definiert. Hier kann man teils Umrisslinien verwenden, doch muss, wie der/die Erzeuger/-in des Objektes, jede scharfe Kante auch hier (durch Schraffur) brechen um die feine Schattierung in der Struktur nachzuvollziehen. Der/die Hersteller/-in des Fläschchens muss hier ein geglättetes Holzwerkzeug, oder ähnliches, verwendet haben oder er/sie hat den lederharten Ton mit feuchtem Tuch abgerieben, und so schmeichelhafter für die Hand gemacht.

Ein weiteres Mittel zur Definition von Details waren in der Herstellung aufgelegte Tonwürste. So wird unter anderem die Rückenflosse vom Körper klar abgesetzt, doch am offensichtlichsten das aus konzentrischen Kreisen beschriebene, dominante Auge konstruiert. Hier bilden sich, neben den konkaven Negativstellen der Henkelchen, die tiefsten und dunkelsten Schatten am Objekt. Das Auge wird neben der liebevoll herausgearbeiteten Schuppung, zum Objekt-bestimmenden Merkmal. Hypnotisch schaut es mir beim Zeichnen permanent entgegen, während sich der Fisch mit jedem Strich der Schraffierung langsam aus dem Papier erhebt. Ich bilde mir ein den nussig, erdigen Geruch von Ton in der Nase zu haben (oder ich habe noch Nutella im Bart). Ich erfasse den Fisch, mache ihn greifbar und betrachte aus allen Winkeln das Handwerk, spüre die Textur rauer Stellen im Gegensatz zu geglätteten Partien, die scharfe Kante der Beschädigung am Flaschenhals, das gerippte Schuppenkleid mit seinen weichen Erhebungen. Der Fisch liegt in meiner gespreizten Hand, nimmt sie ein, die Wölbung des Hohlkörpers in meiner Handfläche, die Konkave zischen Körper und Schwanzflosse am Handballen. Genau so muss die Ampulle während ihrer Entstehung gehalten worden sein. Ich spüre nicht nur die Nähe zum Objekt, doch auch zu den in der Herstellung involvierten Person/-en und späteren Nutzern, die wie ich im konzentrierten Blick auf das konzentrische Auge des Fisches trafen. Durch das Auge des Fisches, sehe ich kontemplativ durch die Augen des Künstlers, schaffe Szenarien der Nutzung und verliere mich in der Vergangenheit.

Wer nun Interesse an meinen Bildern haben sollte, kann sich das angehängte Video zur Deutung des Objektes ansehen, in dem ich meine Illustrationen eingefügt habe.

Illustrierter Podcast zur Deutung des Objektes, basiernd auf meiner Forschung.

Die Forschung zum Objekt und meine Deutungsansätze basieren auf dem Studium der folgenden Literatur:

Bibliographie:

-Budge, Sir E.A. Wallis; Amulets and Talismans; University Books; Hyde Park; New York (1961)

-Jizchaki, Schlomo ben; Der Raschi-Kommentar zu den fünf Büchern Moses – Deutsche Übersetzung; Budapest (1887)

-Kaufmann, Karl Maria; Die Menasstadt und das Nationalheiligtum der Altchristlichen Aegypter in der Westalexandrinischen Wüste; Ausgrabungen der Frankfurter Expedition am Karm Abu Mina 1905-1907; Verlag Wiesemann, Karl W.; Leipzig (1910)

-Kozloff, Arielle P.; Egypt’s Dazzling Sun: Amenhotep III And His World; Cleveland Museum of Art (1992)

-Van Neer, Wim; Depraetere, David; Pickled Fish from the Egyptian Nile: Osteological Evidence from a Byzantine (Coptic) Context at Shanhur; Revue de Paleobiologie; Museum d’Histoire Naturelle; Genf (2005)