Leitfaden für einen königlichen Auftritt

Die Hervorhebung von Design- und Imagestrategien anhand eines spätmittelalterlichen Objekts soll eine Brücke zur heutigen Zeit schlagen: Was kann man von einem mehr als 500 Jahre alten Objekt über dessen Urheber lernen – besonders wenn der Auftraggeber einer der populärsten habsburgischen Kaiser war? Welche bis heute gebräuchlichen Strategien der Verbildlichung und der Imagepflege bzw. -lenkung können an der Goldmünze abgelesen werden? Der folgende Beitrag – als Symbiose aus Corporate Design Manual und kunsthistorischer Objektanalyse – soll darauf Aufschluss geben. Als Rahmen wurde ein fiktionaler Brief von Maximilian aus dem Jahr 1488 gewählt.


Ein nachhaltiges Design-Manual

5 Regeln zur Erzielung einer multisensorischen Markenwahrnehmung am Beispiel einer Goldmünze – eine Anleitung von Maximilian I. für Nachfahren, Bewunderer und andere mächtige Menschen, die eine 500 Jahre währende Reputation aufbauen wollen

Ich, Maximilian I., römisch-deutscher König (1459–1519) [1], freue mich, euch Untertanen, Nachkommen und weiteren Bewunderern eine Auswahl an Strategien zu offenbaren, mithilfe derer ich mir bereits jetzt zu Lebzeiten ein positives Gedechtnus [2] erschaffe. Zur Veranschaulichung habe ich für euch eine Goldmünze (1487–1488) [3] als objekthaftes Beispiel aus meiner aktuellen Kollektion gewählt, welche zwar zunächst klein erscheinen mag, jedoch einen großen Beitrag zu meiner Gesamtwahrnehmung und meinem mir hoffentlich über Jahrhunderte hinweg oder gar ewiglich vorauseilenden Ruf leisten wird. Wenn ihr das hier auch nach meinem Ableben lest, war ich also erfolgreich … Daher seht bei den folgenden Regeln genau hin, denn besonders im Kleinen kann sich die wahre Größe eurer Herrschaft offenbaren:

1. Wortbildmarke: Zeigt euer visuelles Konterfei als Herrscher und unterstreicht eure herrscherliche Legitimation mit Text.

Falls auch ihr in eurem Reich vor der Herausforderung steht, euer Münzgeld neu zu gestalten und herstellen zu lassen, nehmt euch ein Beispiel an mir. Selbst bei einer beidseitig geprägten Goldmünze wie dieser mit 35 mm Durchmesser lassen sich zahlreiche Facetten eurer Marke unterbringen – wie ihr seht, habe ich mich für Text und Abbildungen auf beiden Seiten entschieden. Zieht wie ich bei eurer Münze einen zusätzlichen Kreis [Abb. 1, 2] ein, um darin in einer Inschrift eure zahlreichen Titel und damit eure Legitimation als Herrscher von Gottes Gnaden aufzuzeigen [4] – die Adelstitel umkreisen damit die Bildinhalte. Aufgrund eines harten Schicksalsschlags – des frühzeitigen Verlusts meiner geliebten Ehefrau Maria von Burgund – und einer recht komplizierten Erbschaftssache [5] im hiesigen Herzogtum ist mein Sohn Philipp der Schöne hier ebenfalls als Herzog mit erwähnt. So weise ich strategisch auf meinen aktuell zehn Jahre alten Nachkommen hin: Es geht bei meinem Markenauftritt auch um eine lange Erbschaftslinie, die weit über mich hinausweist. Den Hinweis auf das Haus Habsburg findet ihr auf der Rückseite, wo das Wappenschild auf Blütenkreuz großzügig eingeprägt ist. [Abb. 3] Zeigt euch visuell als Person mit eurem Gesicht und stolzer, aufrechter Haltung. Tragt stets eure herrscherlichen Insignien wie Reichsapfel, Schwert und Krone, und legt für euren Auftritt bestimmte Schwerpunkte für Attributionen – für mich sind das Handel und Reformen, bspw. die Neuordnung des Münzwesens [6], weshalb mein Konterfei in einem, genau in den Kreis eingepassten, verzierten und mehrmastigen Schiff situiert ist. [Abb. 4] Es ist essentiell, dass sich eure Untertanen mit euch als ihrem Herrscher identifizieren können [7] – sie sollen sich immer an euer Bild erinnern. Sie sollen auch außerhalb von Kirchen und herrschaftlichen Gebäuden, in denen ihr bspw. auf Gemälden sichtbar seid, wissen, wer ihr Herrscher ist – und das unabhängig von der Fähigkeit, lesen oder schreiben zu können. Überlegt euch für eure visuelle Darstellung also genauestens, wie ihr euch selbst seht und wie ihr von eurem Volk gesehen werden möchtet: Wen und was repräsentiert ihr? Nutzt möglichst konkrete Symbole, und setzt diese selbstbewusst in eurem Layout um, sodass ihr in Worten und Bildern die wichtigsten Elemente eures Auftritts und eurer Werte transportieren könnt. Und wenn ihr euch in ein paar Jahren weiterentwickelt, euer Haarschnitt sich ändert, ihr neue Ländereien erobert oder in weitere Gebiete einheiratet, könnt ihr euer überarbeitetes Image und eure veränderten Markenattribute einfach in einer neuen Münzkollektion präsentieren – entweder könnt ihr dafür die bestehenden Münzen von den Untertanen zu den Münzstätten zurückbringen und neu prägen lassen, oder ihr lasst einfach neue Münzen herstellen. [8]


Abb. 5: Objekt “Philipp der Schöne” im Interaktiven Katalog des Münzkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin. Markierungen durch Autorin. Online: https://ikmk.smb. museum/object?lang=de&id=18205368&view=vs

2. Haptik: Macht euch durch Prägung nahbar sowie mit mehreren Sinnen erfahrbar.

Die kreisrunde Form der Münze – wenn auch mit subtilen Quetschrändern an manchen Stellen, welche vom Handwerk der Münzprägung zeugen [9, 10] – schmeichelt sie der Hand mit ihren abgerundeten Formen. Mit 7,36 g Gewicht liegt die Münze nicht zu schwer in der Hand, und – sofern man es sich leisten kann – hat man davon gleich mehrere. Das macht sie zu einem sehr mobilen Träger und Multiplikator eures Auftritts. Orientiert euch nicht einfach an einem flachen Buchdruck, sondern lasst euch spürbar in das Material einprägen. So seid ihr als Herrscher selbst viel enger, ja untrennbar mit dem Material als Träger eures Antlitzes und eurer Herrscherlegitimationen verbunden. Achtet darauf, dass besonders euer Gesicht der erhabenste Punkt der Prägung ist, denn damit macht ihr euch auch auf der haptischen Ebene zum wichtigsten Punkt. [Abb. 5] Zusätzlich ermöglicht ihr es damit euren Untertanen, eine verblüffende Nähe zu euch herzustellen, denn mit dem Halten und Berühren der Münze kann metaphorisch körperliche Verbundenheit geschaffen werden: Mit der Münze wird gleichsam der Körper von euch berührt. Damit seid ihr überall dort spürbar und erlebbar anwesend, wo die Münzen im Umlauf sind.

3. Das Material selbst ist wichtiger Träger eures beabsichtigen Auftritts.

Allein der Zugang zu erheblichen Mengen eines solch kostbaren Materials wie Gold wird mit dem Aufstieg von mächtigen Königreichen in Verbindung gebracht. Für mich als Maximilian I. ist Gold auch symbolisch ein Synonym für Macht. [11] Ich möchte mich genau hier, auf dieser Münze aus purem Gold [12], bestmöglich repräsentiert wissen – denn so werden meine königlichen Markenwerte passend transportiert. Mein Ratschlag an euch ist also: Bezieht das Material bewusst mit in euren Auftritt ein, und wählt im Zweifelsfall immer die hochwertigste Ausführung.

4. Unterschätzt nie den Verbreitungsfaktor von Geldmünzen.

Nicht all eure Untertanen haben vielleicht die Mittel, sich eines dieser neuen, kostbaren gedruckten Bücher zu kaufen. [13] Setzt also auf etwas, was wirklich jeder nutzt: Geld. Denn der Handel als Zeichen eures florierenden Reichs spielt eine zentrale Rolle, um Innovation in euren Ländereien voranzubringen und eure eigene Macht nicht nur zu sichern, sondern zu vergrößern. Nutzt die Symbolkraft eines solch beständigen, zeitlosen und kostbaren Materials wie Gold. Selbst wenn Münzen aus Gold als wertvollste Bezahlungsmittel einerseits in der Menge, andererseits im alltäglichen Gebrauch nicht so geläufig sind, so sind sie doch als nachhaltige Wertanlage ein tolles Mittel. [14] Im Fall des Falles lassen sich die Münzen auch einfach zurückhalten, um so die Umlaufmenge des Geldes zu euren Gunsten zu beeinflussen oder um einen eigenen Reichsschatz aufzubauen, nur als Tipp am Rande … [ebd.]

5. Wenn ihr euch selbst im Kleinen groß inszenieren könnt, wird eure Strategie erst recht Erfolg haben.

Ihr mögt euch vielleicht fragen, weshalb ich neben großen Gemälden, Statuen und Bauwerken ausgerechnet diese eine Münze ausgewählt habe, wo sie doch eines der kleinsten Elemente meines Gesamtauftritts ist? Nun, ich wollte euch überraschen. Denn große Monumente zu bauen ist nicht unbedingt schwer – spannend wird es doch dann, wenn sich euer Auftritt als Herrscher auch auf kleinster Fläche und mittels begrenzter Darstellungsmöglichkeiten umsetzen lassen muss. Wie sprecht ihr eure Untertanen nicht nur visuell, sondern mit unterschiedlichen Sinnen an, um so auch eine emotionale Verbundenheit zu schaffen, welche sie buchstäblich in ihrer Hand halten können? Wie bringt ihr euch als omnipräsenter König in den Alltag eurer Untertanen ein und werdet gleichzeitig das Sinnbild für Handel, Fortschritt, Reichtum und Macht?

Die Lösung liegt vor euch:

In einer Goldmünze wie dieser kommen all die unterschiedlichen Aspekte für nachhaltige Markenwahrnehmung in einem einzigen kleinen Objekt zusammen, das in jede Hand passt. Auch ihr solltet eine solche Münze fest in eurer Markenstrategie verankern.

Befolgt meine Weisungen, damit auch euer Auftritt solche Wellen schlagen wird.

In ewigem Gedechtnus,
Maximilian I.

Brügge, 17. Mai 1488 [15]

Quellen, Anmerkungen zum Kontext & weiterführende Literatur:

  1. König: Erst 1508 wurde Maximilian I. zum deutsch-römischen Kaiser gekrönt, der obige, fiktive Artikel spielt jedoch in der Zeit der Herausgabe des Objekts zwischen 1487–1488. Vgl. Wiesflecker, Hermann: Maximilian I., in: Neue Deutsche Biographie 16 (1990), S. 458-471 [Online-Version]; URL: https://www.deutsche-biographie.de/pnd118579371.html#ndbcontent
  2. Gedechtnus: Dieser von Maximilian I. selbst geprägte Begriff umfasst nicht nur ein visuelles Andenken an ihn, sondern sein Vermächtnis insgesamt: „‚Wer ime (= sich) im leben kain gedechtnus macht, der hat nach seinem tod kain gedechtnus, und demselben menschen wird mit dem glockendon vergessen.‘ – Maximilians Schluss in seinem autobiographischen Werk ‚Weißkunig‘“, zit. n. Gruber, Stephan: Der letzte Ritter: Maximilian I. Online: https://www.habsburger.net/de/kapitel/der-letzte-ritter-maximilian-i. Letzter Zugriff: 07. Februar 2021.
  3. Objekt (auch Abb. 1–5 und Titelbild): Offizielle Angaben zum Objekt finden sich im Interaktiven Katalog des Münzkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin. Online: https://ikmk.smb.museum/object?lang=de&id=18205368&view=vs. Letzter Zugriff: 07. Februar 2021.
  4. Inschriften: Vorderseite: „M – D – G RO REX ET PhS ARChIDVCES AV BG CO hOL. [Maximilianus Dei Gratia Rex et Philippus Archiduces Austrie Burgundie Comes Hollandie]“, übersetzt etwa: Maximilian, König von Gottes Gnaden und Philipp, Herzöge von Österreich, Burgund und Graf von Holland. Rückseite: „MO AVREA RO REGIS ET PhI ARChID AV BG CO hOL. [Moneta Aurea Romanorum Regis et Philippus Archiduces Austrie Burgundie Comes Hollandie]“, übersetzt etwa: Goldmünze des Königs der Römer und Philipp als Herzöge von Österreich, Burgund und Graf von Holland. Zit. n. offiziellen Angaben zum Objekt im Interaktiven Katalog des Münzkabinetts der Staatlichen Museen zu Berlin. Online: https://ikmk.smb.museum/object?lang=de&id=18205368&view=vs. Letzter Zugriff: 07. Februar 2021. Übersetzung der Autorin.
  5. Erbstreitigkeiten: Gruber, Stephan: Der letzte Ritter: Maximilian I. Online: https://www.habsburger.net/de/kapitel/der-letzte-ritter-maximilian-i. Letzter Zugriff: 07. Februar 2021.
  6. Neuordnung des Münzwesens: Helmrath, Johannes; Kocher, Ursula; Sieber, Andrea (Hg.): Maximilians Welt – Kaiser Maximilian I. im Spannungsfeld zwischen Innovation und Tradition, Göttingen 2018, S. 15.
  7. Herrscheridentifikation: “Coins did bear the images of the issuing authority and, once in circulation, became a means of identity for those who used them.″ Zit. n. Travaini, Lucia: Coins and Identity: From Mint to Paradise, in: Naismith, Rory: Money and Coinage in the Middle Ages, Leiden/Boston 2018, S. 335.
  8. Neuprägung von Münzen: “In the Middle Ages rulers frequently “recalled” existing coins by ordering that all existing money be brought into the princely mint to be recoined into new money, with the new issue usually containing less precious metal than previous ones. Simultaneously the old coins were declared unlawful. This was a standard technique in the set of options available for the politics of minting.” Zit. n. Rössner, Philipp Robinson: From the Black Death to the New World (c.1350– 1500), in: Naismith 2018, S. 164.
  9. Münzherstellung: “Coins were struck in mints using quite primitive techniques. Silver and gold in the shape of old or foreign coins, raw gold and silver, bullion (ingots), jewellery, and ornaments delivered to the mint were smelted, then transformed into sausage- like pieces or bars. These were cut into thin round slices which were then imprinted with the coin’s image, back and front, using a hammer and a die. There were as yet no machines or means of mechanizing parts of the process.” Zit. n. Rössner, Philipp Robinson: From the Black Death to the New World (c.1350– 1500), in: Naismith 2018, S. 159.
  10. Münzmeister: “Making money, i.e., the striking of coins and running a mint as capital- intensive, risky, but profitable big business, required hard physical work and prodigious outlets of fixed and working capital (for buildings, smelting ovens etc.). Mintmasters also had to possess considerable metallurgical and financial knowledge. Accordingly, they were usually recruited from the long- distance trading and merchant class, whose members had an intimate knowledge of the financial markets as well as the financial means to run such a high- profile business as a royal or princely mint.” Zit. n. Rössner, Philipp Robinson: From the Black Death to the New World (c.1350– 1500), in: Naismith 2018, S. 159f.
  11. Gold = Macht: “Access to significant supplies of gold can be credited with contributing to the rise of powerful states and empires […]” Zit. n. Venable, Shannon L.: Gold – a cultural encyclopedia, Santa Barbara 2011, S. XVII.
  12. Noble als Nominal: Nominal bzw. Denomination bezeichnet in der Numismatik die „Wertstufe eines Geldstückes […] innerhalb eines bestimmten Währungssystems.“, in Kategorien des Normdatenportals des Münzkabinetts. Online: https://ikmk.smb.museum/ndp/category/nominal. Letzter Zugriff: 07. Februar 2021. Als Noble wird ein Material aus „nominally pure gold“ bescheinigt, d.h. höchste Materialreinheit und damit verbunden auch ein sehr hoher Wert. Zit. n. Naismith 2018, S. 409.
  13. Buchdruck: Der Buchdruck war um 1478 eine noch recht neue Erfindung. Anmerkung der Autorin.
  14. Zirkulation von Goldmünzen: Vgl. ″Gold coins did not circulate as much as silver coins. Surviving examples typically exhibit significantly less wear than silver″ und ″Money withdrawn from circulation was not to service transactions, so the effective money stock was less than the total money stock. Hoard evidence indicates clearly that larger denominations wherever available were preferred for saving, and gold coins were larger denominations par excellence″ Zit. n. Mayhew, Nick: Money and the economy, in: Naismith 2018, S. 222f.
  15. Wahl von Datum & Ort: Der 17. Mai 1488 wurde von der Autorin als fiktives Datum für die Erstellung des Schreibens gewählt, da es mitten im Burgundischen Erbfolgekrieg (1477–1493) – fünf Tage nach Unterzeichnung des Brügger Vertrag und nur einen Tag nach seiner Entlassung aus der Haft – gewesen wäre. Es war wie eine kurze Atempause zwischen all den Aufständen in den damaligen Burgundischen Niederlanden. Mit dem Brügger Vertrag trat Maximilian seine Ansprüche an Sohn Philipp ab, welcher damit im Alter von gerade einmal 10 Jahren zum Erzherzog von Burgund wurde und deshalb auch in der Inschrift dieser Münze erwähnt wird.